Was sind Medizinprodukte?
Die Feststellung, ob es sich bei einem Produkt um ein Medizinprodukt handelt, fällt in praktischer Hinsicht oftmals gar nicht so leicht – so kommt beispielsweise oftmals auch die Einordnung als Kosmetika oder Arzneimittel in Betracht.
Ob es sich um ein Medizinprodukt handelt, bestimmt sich dabei grundlegend nach der Medizinprodukteverordnung.
"ein Instrument, einen Apparat, ein Gerät, eine Software, ein Implantat, ein Reagenz, ein Material oder einen anderen Gegenstand, das dem Hersteller zufolge für Menschen bestimmt ist und allein oder in Kombination einen oder mehrere der folgenden spezifischen medizinischen Zwecke erfüllen soll:
- Diagnose, Verhütung, Überwachung, Vorhersage, Prognose, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,
- Diagnose, Überwachung, Behandlung, Linderung von oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen,
- Untersuchung, Ersatz oder Veränderung der Anatomie oder eines physiologischen oder pathologischen Vorgangs oder Zustands,
- Gewinnung von Informationen durch die In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper — auch aus Organ-, Blut- und Gewebespenden — stammenden Proben
und dessen bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, dessen Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.
Die folgenden Produkte gelten ebenfalls als Medizinprodukte:
- Produkte zur Empfängnisverhütung oder -förderung,
- Produkte, die speziell für die Reinigung, Desinfektion oder Sterilisation der in Artikel 1 Absatz 4 genannten Produkte und der in Absatz 1 dieses Spiegelstrichs genannten Produkte bestimmt sind."
Die Medizinprodukte-Verordnung umfasst nur Produkte, die für den Menschen bestimmt sind. Abgestellt wird dabei regelmäßig auf das Wirkprinzip – Medizinprodukte wirken also im oder am menschlichen Körper, jedoch nicht in pharmakologischer, metabolischer oder immunologischer Hinsicht. Ebenfalls von der Medizinprodukteverordnung erfasst werden Zubehörteile eines Medizinprodukts, Artikel 2 Nr. 2 VO (EU) 2017/745. Weitere Teile und Ausnahmen des Geltungsbereiches der Verordnung benennt Artikel 1 VO (EU) 2017/745.
Beispiele für Medizinprodukte:
- Implantate
- Produkte zur Injektion, Infusion, Transfusion und Dialyse
- humanmedizinische Instrumente
- medizinische Software
- Katheter
- Herzschrittmacher
- Dentalprodukte
- Verbandstoffe
- Sehhilfen
- Kondome
- Ärztliche Instrumente
- Labordiagnostika
- Produkte zur Empfängnisregelung
Aus der Rechtsprechung: Während der Corona-Pandemie wurden viele Stoffmasken verkauft. Bewirbt ein Hersteller diese Stoffmaske etwa in einer Anzeige bewusst in einem medizinischen Kontext, würde diesen Masken ein medizinischer Zweck zugeschrieben und sie damit ggf. auch zu einem Medizinprodukt machen. In dem Fall hat das die Herstellerin jedoch nicht getan und die Einordnung als Medizinprodukt wurde verneint (Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 15.12.2020, Az. I-4 W 116/20).
Und umgekehrt gilt: Wasser und Seife werden nicht deshalb zu „Medizinprodukten“, weil regelmäßiges Händewaschen nach allgemeiner Auffassung und Empfehlung eine Schutzwirkung vor Keimen und Bakterien und damit einer Ansteckung mit Krankheiten hat.
Sogar Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung können in den Anwendungsbereich der MDR fallen. Das betrifft nach derzeitigem Stand etwa farbige Kontaktlinsen, bestimmte Geräte zur Tattoo-Entfernung oder Stoffe für ästhetische Zwecke.
Kennzeichnungspflicht
Ist ein Produkt als Medizinprodukt einzuordnen, führt das zu einer besonderen Kennzeichnungspflicht, dies gilt für Medizinprodukte wie auch medizinisches Zubehör.
Nötig ist nach der EU-Medizinprodukteverordnung zunächst eine Klassifizierung und Einordnung des Produkts in eine der Risikoklassen. Daran schließt sich die sog. Konformitätsbewertung an, mit der die Einhaltung der jeweiligen Standards und Vorgaben überprüft und festgehalten wird. Je nach Produkt bzw. Risikoklasse kann es dabei notwendig sein, dass eine der benannten Stellen beteiligt wird. Nach der Durchführung der Konformitätsbewertung muss das Produkt mit einer CE-Konformitätskennzeichnung versehen werden.
CE-Kennzeichnung: Wie die CE-Kennzeichnung umgesetzt werden muss, richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008. Nach Art. 20 Medizinprodukteverordnung ist die CE-Kennzeichnung zudem gut sichtbar, leserlich und dauerhaft auf dem Medizinprodukt oder dessen steriler Verpackung sowie auf der Handelspackung und der Gebrauchsanweisung anzubringen. Gegebenenfalls muss die Kennnummer der benannten Stelle mitgeteilt werden, welche am Konformitätsbewertungsverfahren beteiligt war. Die einzelnen Anforderungen an die Kennzeichnung ergeben sich weiterhin aus Art. 5 bis 7 Medizinprodukteverordnung.
Achtung:
Das Umpacken einzelner Produktbestandteile ohne Berechtigung der Prüfstelle kann dazu führen, dass die CE-Kennzeichnung ihre Gültigkeit verliert.
Mehr Informationen:
Weitere Informationen zur CE-Kennzeichnung findest du in unserem Leitfaden.
Medizinprodukte, die nicht ordnungsgemäß zertifiziert und gekennzeichnet wurden, unterliegen einem Vertriebsverbot und dürfen nicht in Betrieb genommen werden!
Durch die General Product Safety Regulation (GPSR) müssen neue Informationspflichten für alle Produkte im Online-Handel erfüllt werden. Bei jedem Angebot müssen folgende Angaben enthalten sein:
- Herstellerdaten: Name, Adresse, elektronische Adresse
- Wenn der Hersteller nicht in der EU sitzt, zusätzlich noch eine verantwortliche Person mit Sitz in der EU mit Name, Adresse und elektronischer Adresse
- Produktabbildung
- Warn- und Sicherheitshinweise, sofern vorhanden
Pflichten für Hersteller, Importeure und Händler
Während es für Hersteller erweiterte Pflichten gibt, etwa die Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems oder eines Systems zur Deckung einer etwaigen Haftung für Schäden durch fehlerhafte Produkte, werden auch für dich, wenn du “nur” Online-Händler bist, Vorgaben durch die Medizinprodukte-Verordnung aufgestellt. Als Händler musst du nicht nur für die Einhaltung der Lagerungs- und Transportbedingungen Sorge tragen, sondern auch prüfen, ob das Produkt eine CE-Kennzeichnung führt und eine ordnungsgemäße Konformitätserklärung ausgestellt wurde.
Da du vermutlich nicht selbst Hersteller der Produkte bist, solltest du dich mit dem Hersteller oder dem Bevollmächtigten im Zweifel auseinandersetzen. Ein Verkauf von Produkten, die nicht den Anforderungen der CE-Kennzeichnung entsprechen, verstößt nicht nur gegen die Marktplatzvorgaben von Amazon oder eBay, sondern kann auch zu einer Abmahnung führen. Hast du als Händler Grund zur Annahme, dass ein Medizinprodukt nicht den Vorgaben entspricht, darfst du es nicht in den Verkehr bringen.
Wer ist Händler?
„Händler“ bezeichnet nach Art. 2 Nr. 34 VO (EU) 2017/745 jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers oder des Importeurs.
Die Pflichten der Händler ergeben sich aus Art. 14 Medizinprodukteverordnung:
- Prüfung, ob das Produkt die CE-Kennzeichnung trägt und dass eine EU-Konformitätserklärung für das Produkt ausgestellt wurde
- Prüfung, ob dem Produkt die vom Hersteller gemäß Art. 10 Abs. 11 MDR bereitgestellten Informationen beiliegen
- Prüfung, ob bei importierten Produkten der Importeur die in Art. 13 Abs. 3 MDR genannten Anforderungen erfüllt
- Prüfung, ob vom Hersteller eine UDI vergeben wurde
- Händler trägt Sorge dafür, dass die Lagerungs- und Transportbedingungen den Vorgaben des Herstellers entsprechen
- Mitteilungspflicht bei Nonkonformität eines Produktes an den Hersteller oder Importeur
- Bei Nonkonformität eines Produktes besteht die Pflicht zur Zusammenarbeit mit den wirtschaftlich Beteiligten der Lieferkette und den zuständigen Behörden
Zugaben bei Medizinprodukten verboten
Grundsätzlich dürfen Produkte mit Gratiszugaben verkauft werden. Nicht aber, wenn es um Medizinprodukte oder andere Gesundheitsprodukte geht. Hier gibt es strenge Regeln. Im Heilmittelwerbegesetz (kurz: HWG) findet sich folgendes Verbot: Gemäß § 7 Absatz 1 HWG ist es grundsätzlich unzulässig, im Zusammenhang mit der produktbezogenen Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte oder andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände mit körperlicher Wirkung, Zuwendungen und sonstige Werbeabgaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren.
Das bedeutet, dass Zugaben generell unzulässig sind. Ausnahmen sind jedoch kleine und geringwertige Beigaben, z. B.
- Papiertaschentücher
- Luftballons
- Kugelschreiber
- Bonbons/Gummitiere
Warum ist das so streng? Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen. Ein Verstoß gegen § 7 des Heilmittelwerbegesetzes stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.
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Verbote beim (Fernabsatz-)Handel mit Medizinprodukten
Medizinprodukte, die im Wege des Fernabsatzes – also etwa über den Online-Handel – von einer in der Union niedergelassenen Person angeboten werden, müssen gem. Art. 6 Abs. 1 der Medizinprodukteverordnung entsprechen. Händler bzw. Anbieter sind weiterhin verpflichtet, auf das Ersuchen einer zuständigen Behörde eine Kopie der EU-Konformitätserklärung für das betreffende Produkt zur Verfügung zu stellen.
Gleichzeitig sollten beim Handel mit Medizinprodukten bestimmte Verbote berücksichtigt werden, die sich aus Art. 7 Medizinprodukteverordnung ergeben:
- Produkte, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass diese nicht den Vorgaben der Verordnung entsprechen. Das ist bspw. der Fall, wenn:
-
- ein Konformitätsbewertungsverfahren nicht durchgeführt wurde,
- die EU-Konformitätserklärung nicht vorhanden ist, oder
- das Datum abgelaufen ist, bis zu dem eine gefahrlose Anwendung nachweislich möglich ist.
- Bei der Kennzeichnung, den Gebrauchsanweisungen, der Bereitstellung, der Inbetriebnahme und der Bewerbung von Produkten dürfen Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere (nicht) bildhafte Zeichen nicht verwendet werden, wenn sie den Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts irreführen können, indem sie dem Produkt beispielsweise Funktionen oder Eigenschaften zuschreiben, die sie nicht besitzen.
Unser kostenloses Hinweisblatt bietet eine umfassende Erklärung von Medizinprodukten gemäß den geltenden Vorschriften. Außerdem bekommst du detaillierte Informationen zur Kennzeichnungspflicht von Medizinprodukten und welche Verbote es beim Handel mit Medizinprodukten gibt.
Medizinprodukteberater
Nicht jeder Person ist es erlaubt, fachliche Beratungen und Einweisungen hinsichtlich der Benutzung von Medizinprodukten durchzuführen. Dies muss durch einen ausreichend sachkundigen Medizinprodukteberater erfolgen, vgl. § 83 MPDG. Online-Händler müssen daher unter Umständen einen Medizinprodukteberater beschäftigen.
Medizinprodukte in der Werbung
Unter anderem ist es untersagt, in der Werbung oder in Gebrauchsanweisungen Texte, Abbildungen oder ähnliches zu verwenden, mit dem Anwender oder Patienten hinsichtlich der Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produkts in die Irre geführt werden können – etwa, weil dem Produkt dadurch falsche Funktionen oder Eigenschaften zugeschrieben werden oder nicht ausreichend über die Risiken informiert wird. Hier solltest du darauf achten, dass du sehr bedacht wirbst und dich nicht darauf verlässt, was der Hersteller vorgibt. Jegliche Werbeaussagen müssen auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen.
Aus der Abmahnwelt:
Ähnliche Vorgaben kennt man unter anderem auch aus dem Bereich der Lebensmittel. Diese dürfen beispielsweise nur nach dem festen Katalog der Health Claims-Verordnung mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden, die zuvor auf ihre wissenschaftliche Beweisbarkeit bewertet und speziell zugelassen wurden.
Fazit
FAQ zu Medizinprodukten
Was ist die CE-Kennzeichnung und warum ist sie wichtig?
Die CE-Kennzeichnung ist, anders als irrtümlich angenommen, kein offiziell erteiltes Siegel, sondern eine Selbstauskunft des Herstellers, dass das Produkt geprüft wurde und alle relevanten EU-weiten Anforderungen im Hinblick auf Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umweltschutz erfüllt werden.
Was ist das UDI-System und welche Vorteile bietet es?
Das UDI-System (Unique Device Identification) für Medizinprodukte ist ein internationaler Standard, der darauf abzielt, die Sicherheit von Medizinprodukten zu erhöhen und deren Rückverfolgbarkeit zu verbessern. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Hauptkomponenten: einer eindeutigen Kennzeichnung für jedes Medizinprodukt und einer globalen Datenbank, in der spezifische Informationen über jedes Produkt gespeichert sind.
Das UDI-System bietet bedeutende Vorteile für die Sicherheit und Effizienz im Umgang mit Medizinprodukten, indem es eine eindeutige Identifikation, verbesserte Rückverfolgbarkeit und Zugang zu detaillierten Produktinformationen ermöglicht.
Welche Informationen müssen auf der Verpackung von Medizinprodukten angegeben werden?
Medizinprodukten müssen u. a. folgende Angaben enthalten:
- Name des Produktes
- Zweckbestimmung
- Name und vollständige Anschrift des Herstellers
- Name und vollständige Anschrift des Bevollmächtigten und Importeurs in der EU
- Los- oder die Seriennummer des Produktes
- UDI-Träger
- Haltbarkeitsdatum
- Sicherheitsinformationen und Warnhinweise
- Hinweis, dass es sich um ein Medizinprodukt handelt
- Gebrauchsanweisung (sogenannter Beipackzettel)
Wie unterscheiden sich die Kennzeichnungsvorschriften in verschiedenen Ländern?
In der gesamten EU sind die grundlegenden Vorschriften für Medizinprodukte durch die MDR harmonisiert und daher gleich, da diese in allen Mitgliedstaaten gilt. Es gibt jedoch bei einigen Umsetzungsfragen nationale Abweichungen. Im Unterschied zu den Vereinigten Staaten erklären Hersteller die Konformität mit der CE-Kennzeichnung hier grundlegend selbst (s. o.), während in den USA die Zulassung behördlich erfolgt.
Was sind die häufigsten Fehler bei der Kennzeichnung von Medizinprodukten und wie kann man sie vermeiden?
Meist sind es die Wirkversprechen, die zu Abmahnungen führen. Werbeaussagen, die auf die gesundheits- oder krankheitsbezogenen Wirkungen eines Produktes abzielen, können dann unlauter sein, wenn diese versprochenen Wirkungen nicht wissenschaftlich erwiesen sind.
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